Lieder für die Ewigkeit // Thrice und In Exile

Ich möchte mal wieder über Musik schreiben. Aber für Plattenkritiken fehlen mir Zeit und Nerven. Also schreibe ich ab jetzt immer mal wieder über Songs, die mich begeistern und begleiten. Lieder für die Ewigkeit halt.

Und welcher Song würde besser dazu passen als „In Exile“ von Thrice. Schließlich habe ich die Kategorie nach dem Refrain benannt. Doch dazu später mehr. Hört erst mal rein.

Meine Begeisterung für diesen Song ist fest mit diesem Video verknüpft. Als der Song rauskam, war ich oft mit meiner damaligen Band unterwegs. Die Szenen, die hier immer wieder kurz eingeblendet werden, kennt vermutlich jede*r Musiker*in, der*die schon auf Tour war: Enge Backstageräume, das lange Warten, Kabelsalat, telefonieren mit der Heimat, die Show mit allem drum und dran. Das ganze Tourfeeling zusammengefasst in wenigen Sequenzen – und dazu der Titel „In Exile“ mit der prägnanten Textzeile „My heart is filled with songs of forever.“

Die Lyrics

Was lag näher zu glauben, der Song würde ums Touren gehen, ums unterwegs sein, um Musik machen und erleben? Ja, sicherlich stimmt das auch, aber meine Frau machte mich schließlich darauf aufmerksam, wie christlich geprägt dieser Song ist. Er spielt auf eine Bibelstelle (Hebräer 13,14) an, wo es heißt: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die Zukünftige suchen wir.“ Als Christ glaube ich, dass diese Welt nicht das Ende ist und dass ich letztlich hier nur Gast bin. Ein Zwischenschritt auf dem Weg, tja wohin? In den Himmel vermutlich.

Es ist lustig, dass mir diese Verknüpfung nicht schon früher aufgefallen war, aber die Texte von Thrice sind oft hintergründig. Auf der einen Seite wahnsinnig plakativ christlich, auf der anderen Seite lyrisch genug, als dass man nicht auch andere Dinge hineinlesen könnte. Das geht sogar soweit, dass ich bei einem (furchtbaren) Interview mit Thrice Bassist Eddie Breckenridge die Frage stellte, ob es ihn denn stört, dass Dustin Kensrue so viele christliche Texte schreiben würde. Seine Antwort lautete ungefähr so: „Wieso christlich? Nein, das sind doch einfach nur Texte, die sich mit ganz alltäglichen Problemen beschäftigen.“

Ich find das super und es beeindruckt mich sehr, dass Dustin Kensrue dieser Spagat gelingt, seine christlichen Anschauungen in Worte zu packen, die keinen ausgrenzen und abstoßen, sondern vielleicht sogar Trost spenden.

Die Musik

Noch packender als den Text finde ich allerdings die Musik des Songs. Im Grunde genommen ist das ein ganz typischer Thrice Song für die zweite von bisher drei Schaffensphasen. Die erste hatte ihren eindeutigen Höhepunkt im „Alchemy Index“, einer Sammlung von vier EPs, die sich jeweils mit einem der vier Elemente Feuer, Erde, Wasser, Luft beschäftigten. Ein Mammut-Projekt, dass es in sich hat, aufwendig produziert und instrumentiert. Ich vermute mal, Thrice sind nach den Aufnahmen in ein Loch gefallen. Was soll man als Band nach so einer Herkulestat noch schaffen? Die Antwort: Viele Schritte zurückgehen und ein trockenes, reduziertes Rock-Album ohne viel Schnickschnack aufnehmen: „Beggars“, auf dem auch der Song „In Exile“ ist, läutete die zweite Schaffensphase der Band ein.

„In Exile“ ist, wie viele der Songs in dieser Phase, im Grunde kein komplexer Song: Vier Akkorde reichen hier völlig aus und auch die markante Gitarrenmelodie ist kein Hexenwerk. Der Zauber liegt in der Dynamik, dem Aufbau und dem absolut tighten Zusammenspiel der vier Musiker.

Der wahnsinnig treibende 2/4-Beat von Drummer Riley Breckenridge zieht sich in gefühlt zehn verschiedenen Variationen fast durch den ganzen Song und gipfelt schließlich im zweiten „Ohohoh“-Teil. Diesem Beat ist alles untergeordnet, vor allem natürlich der Bass: Der läuft hier stoisch seine Achtel ab und erdet den ganzen Song. Nur die Gitarren dürfen ein bisschen ausbrechen und füllen die Lücken. Aber hört ihr, wie fantastisch die sich gegenseitig umspielen? Die eine Melodie ist ohne die andere nur halb so interessant und spannend. Das ist große Kunst zwei Instrumente so miteinander zu verweben.

Jetzt müssen wir aber noch den Schluss anschauen, denn der nimmt fast ein Drittel des Songs ein. Textlich passiert hier nicht mehr viel und auch von den Akkorden gibt es keine nennenswerte Überraschung. Aber zum einen verschiebt sich der Rhythmus hier das erste Mal, Drums und Bass geben einen neuen Beat vor. Das Ganze steigert sich dreimal, schraubt sich nach oben (vor allem die Tremolo-Gitarre von Teppei Teranishi und Dustins Gesang), wird lauter und gleitet schleißlich sanft aus. Uff… Was für ein Brett.

Für mich vereint dieser Song all das, was ich an Thrice schätze und bewundere. Und was sagt ihr? Könnt ihr meine Begeisterung teilen?

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