Ethik und Moral in Computerspielen // War for the Overworld

War for the Overworld (Subterranean Games, 2013)

Vor einigen Wochen hat der wunderbare Games-Podcast „Behind the Screens“ eine Folge zum Thema „Ethik und Moral in Games“ gebracht. Gast in diesem sehr hörenswerten Gespräch war der Philosoph Dr. Jörg Noller. Und auch wenn ich nicht jeder These zustimmen möchte oder jeden Gedanken mitgehen konnte, hat es mich sehr gefreut, mal wieder neue Anregungen zum Thema zu bekommen.

Jörg Noller brachte etwa die Dungeon Keeper-Reihe ins Gespräch. Mich hat das erstmal stutzig gemacht, weil ich Dungeon Keeper 2 nicht als besonders ethisch interessant in Erinnerung hatte. Aber ich wollte dem natürlich dennoch eine Chance geben. Nun habe ich mir aber nicht Dungeon Keeper 1 oder 2 geschnappt, sondern das Quasi-Remake War for the Overworld.

In War for the Overwold (und auch Dungeon Keeper) bin ich nicht der strahlende Held in shiny Rüstung, der den dunklen Dungeon ausräuchert. Nein, viel besser: Ich bin der Dungeon Lord, der den guten Helden das Leben so schwer wie möglich machen muss. Ich bin also der Böse und das ist selbstverständlich erstmal eine interessante Konstellation. Ich bin böse und räume das Gute aus dem Weg, um mein Ziel zu erreichen.

Und ich kann wirklich richtig böse sein. In meinen Dungeon locke ich allerlei finstere Monster an, baue Fallen, Verliese und Folterkammern, ich lasse meine Diener unheilige Rituale durchführen, verzaubere Ritter in Goldstatuen (um sie dann zu Geld zu machen) und spanne Zwerge auf die Streckbank, damit sie für mich kämpfen. Ich kann sogar meine Diener verkloppen, wenn sie nicht sputen. Alles in allem: Ich bin richtig ungemütlich, fies und ekelhaft.

Klar, das hat eine gewisse Faszination und es ist interessant das zu beobachten. Aber ich finde, diese „Ich wechsel die Seite und teste das Böse aus“-Konstellation klingt hier nur auf dem Papier nach einem ethisch interessanten Spiel. Warum?

Ganz einfach: Ironie.

War for the Overworld und auch Dungeon Keeper sind keine ernsten Spiele, was als erstes an der Grafik auffällt, die sehr comic-haft und überzeichnet ist. Die Monster und die Gegner wirken tölpelhaft und überdreht. Auch die Texte, Grafiken, die Sprachausgabe und die Zauber zwinkern mir permanent ironisch zu. Ich mag das, aber War for the Overworld macht mir damit an jeder Stelle deutlich: „Hier bist du in einem Spiel, also hab einfach Spaß und mach dir keinen Kopf“.

Und so komme ich tatsächlich nicht ins Nachdenken, ins Reflektieren. Ob ich jetzt in War for the Overworld Zwerge mit Knubbelnasen platt mache oder in WarCraft Trolle mit Hakennasen zusammenhau ist grad egal, es ist halt ein Spiel und ich will es natürlich gewinnen.

Interessant ist jetzt aber, dass Jörg Noller im Podcast genau das als positiv herausstellt: „Hier werden die Begriffe des Guten und Bösen selbst in einen reflektierenden, ironisierenden Bezug gebracht und das ist ganz wichtig für unsere moralische Bildung“, sagt er zu Dungeon Keeper.

Ich sag es ganz ehrlich: Da bin ich (zumindest teilweise) anderer Meinung. Denn für mich sind es die eher unironischen Momenten, die bei mir einen Funken Reflektion zulassen:

So zeigt mir War for the Overworld zum Beispiel vor jeder Mission eine Weltkarte. Hier kann ich sehen, was meine erfolgreichen Spiele vorher angerichtet haben: Die Welt brennt lichterloh. Das wäre jetzt so ein Moment, wo ich innehalten könnte, um mein Handeln zu reflektieren. Aber das Spiel bleibt hier zu abstrakt und ungenau.

Die Tatsache, dass ich relativ unreflektiert und unhinterfragt böse bin (und dabei Spaß habe) ist allerdings schon ein interessanter Aspekt. Im Spiel, also „im Raum der Möglichkeit“ (Jörg Noller) kann ich verschiedene Rollen einnehmen und ausprobieren – auch die bösen. Ich muss die Konsequenzen nicht fürchten, sondern kann mein Handeln austesten. Das ist definitiv spannend und interessant. Ich finde nur, bei War for the Overworld und damit auch bei Dungeon Keeper steht die Ironie etwas zu sehr im Vordergrund.

(Hört euch unbedingt den Podcast an, ich finde Jörg Noller bringt einige richtig gute Erkenntnisse mit rein. Den bildungsethischen Aspekt von Computerspielen predige ich ja auch schon seit Jahren.)

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